Die große Überfahrt

Mitten auf der Ostsee ist der WLAN-Empfang doch eher schlecht, daher gibt es die vier Tage Ostsee-Törn in einem großen Eintrag.

Samstag, 09.08.2008
Heute sollte es von Göteborg nach Marstrand gehen, damit morgen zeitig losgesegelt werden konnte. Also packte ich meine Sachen und checkte nach einem ausgiebigen Frühstück erstmal aus dem Hotel aus. Nachdem ich kurz meine Ankunftszeit mit den anderen Seglern abgeklärt hatte nutzte ich meine letzten Stunden in Göteborg, um mir noch den „Slottsskogs“-Park anzusehen. Trotz einiger Umwege auf Grund des dort gerade Statt findenden „Way out West“-Festivals eine sehr lohnenswerte Idee. Im Park gibt es einige Gehege mit schwedischen Tieren, z.B. Gotland-Ponys, Rentiere (meiner Meinung nach ziemlich hässliche Tiere) und einiges mehr. Dann ging es zu den „Nils Ericsson Terminalen“, dem zentralen Fernbusbahnhof Göteborgs, wo ich den Bus gen Marstrand nahm.

Dort angekommen lernte ich erstmal das Schiff, die „Silva Hispaniola“, sowie meine Mitsegler kennen. Die Hispaniola hatte in Marstrand an den Europameisterschaften Teil genommen, und vom Regattateam würden Dennis (unser Skipper), Olli, Jonas und Martin (also nicht ich) mitsegeln. Außerdem kam später noch Jeanine dazu, eine weitere nicht-Regatta-Seglerin, die ebenfalls mitsegeln würde. Mit mir waren wir also eine Crew von sechs Leuten. Nach allgemeinem Vorstellen wurde dann erstmal das Schiff für die Überfahrt vorbrereitet, also die Regattasegel von Bord und die Fahrtensegel an Bord geholt, die Ausrüstung an BBord genommen usw. Dann machte sich der Rest der Regattacrew mit dem Ausrüstungsanhänfer auf die Heimreise per Auto, während wir noch etwas zu Abend aßen und anschließend das Schiff zur Übernachtung in den Hafen verholten.

Ach ja, noch ein paar Worte über’s Schiff. Die „Silva Hispaniola“ ist eta 13 Meter lang, hat knapp 20 Meter Mast und einiges an Segelfläche anzubieten. Sie ist als Cruising Racer ausgelegt. Sie ist also kein reines Regattaschiff, sonder hat auch einige wenige Annehmlichkeiten (Betten Kojen, Kombüse Gaskocher, Tisch Brett an der Wand) für Fahrten zu bieten. Es gibt zwei Schlafmöglichkeiten, zwei Matrazen vorne (da, wo es am meisten wackelt), zwei Rohrkojen im „Salon“ und zwei Matrazen hinten (direkt neben der Maschine, da kann man bei laufendem Motor wunderbar schlafen ;)). Außerdem hatten wir eine gute Auswahl an Segeln dabei (drei Focks, einen Spinnaker, ein Großsegel, dazu noch Sturmfock und Sturmgroß).

Sonntag, 10.08.2008
Am nächsten Morgen kauften wir noch Proviant für die Überfahrt ein, und dann ging es los. Unser Ziel war eigentlich die Insel Anholt, mitten in der Ostsee, aber leider machte uns das Wetter einen Strich dorch die Rechnung. Um die 20 Knoten Wind und bis zu 2 Meter hohe Wellen schüttelten und ordentlich durch, und wir kamen nur sehr langsam voran. Je weiter wir westwärts kamen, desto einfacher machte es uns der zunehmende Schutz der dänischen Küste, aber erst spät am Abend, kurz vor Sonnenuntergang wurde das Wetter endlich besser. Unter einem wunderschönen Sonnenuntergang liefen wir also in einen Hafen der dänischen Insel Lesø ein.

Unterwegs hatten wir noch ein kleines Problem gefunden: Da wir die nassen Segel nicht in der Kajüte aufbewahren wollten, hatten wir sie auf dem Vorschiff festgelascht. Leider schien es ihnen da nicht zu gefallen (vielleicht weil da jede Welle drübergeschwappt ist?) und sie hingen immer wieder ins Wasser. Und irgendjemand musste nach vorne klettern und sie wieder festbinden, was nicht gerade Spaß macht (es ist nass, es schwankt und man kann sich sehr schlecht festhalten). Leider hatten wir nicht gerade irgendwelche Alternativen, so dass wir die Reise über keine ander Lösung finden konnten :(.

Montag, 11.08.2008
Am nächsten Tag hatte sich das Wetter wieder ein wenig verschlechtert, aber wenigstens hatten wir jetzt ein wenig Schutz durch das dänische Festland. Dummerweise hatte der Wind kein Einsehen mit uns und blies recht kräftig aus Südost, also genau aus Fahrtrichtung. Und das ist bei Segelschiffen nun mal ganz schlecht.

Durch den ungünstigen Wind und die Tatsache, dass wir erst einmal eine umfangreiche Untiefe vor Lesø umfahren mussten (2,30 m Tiefgang haben halt ihren Preis) kamen wir auch heute nicht so schnell voran wie geplant. Erst kurz nach Mitternacht liefen wir im Hafen von Grenaa ein, was also auch meine erste Nachtfahrt abschloss. Irgendwie ist das mit dem Auto deutlich einfacher…könnte daran liegen, dass auf dem Wasser so wenige Schilder rumstehen :). Zum Schluss hatte der Wind auf unter 10 Knoten abgeflaut, so dass wir zum Schluss nur so dahinzuckelten. Gerade dann, als wir endlich in den Hafen und unter eine -heiße- lauwarme Dusche kommen wollten.

Dienstag & Mittwoch, 12. – 13.08.2008
Die Wetternachrichten brachten und am Dienstagmorgen schlechte Nachrichten: Es sollte am Mittwoch und Donnerstag so *richtig* schlechtes Wetter geben. Also entschieden wir uns, die letzte Strecke bis Glücksburg ohne Pause zu überbrücken. Also kauften wir nochmal Proviant ein und setzten dann die Segel. Der Wind hatte immer noch kein Einsehen mit uns und blies aus ungünstiger Richtung, aber immerhin nicht direkt von vorn. Zumindest meistens nicht… Immerhin konnten wir ein kurzes Stück, gerade mal eine knappe halbe Stunde, unseren Spinnaker (wenigstens hatten wir den nicht umsonst mitgenommen) setzen als wir mit dann 9 Knoten vor dem Wind dahinbrausten. Auch am Wind schafften wir meistens immerhin so um die 8 Knoten, also gar nicht mal so schlecht.

Selbstverständlich konnten wir die ganze Strecke nicht an einem Tag schaffen. Das bedeutet also: auf See schlafen. Zum Glück erreichten wir nachts, etwa gegen 11 Uhr, den kleinen Belt zwischen Fyn und dem dänischen Festland. Unter Schutz von Land hatte der Wellengang stark nachgelassen und da wir auf Grund der Enge nur unter Motor fahren würden war auch keine Schräglage zu spüren. Also krochen die meisten (außer der „Nachtwache“) in ihre Schlafsäcke und genossen ein paar Stunden Schlaf – so auch ich.

Ein paar Stunden Schlaf stellte sich in meinem Fall als über fünf Stunden heraus, also gar nicht mal so schlecht. Diejenigen, die im Vorschiff schlufen, hatten deutlich weniger Glück. Inzwischen hatten wir den kleinen Belt verlassen und befanden uns wieder auf See. Noch fuhren wir zwar nur unter Motor, aber auf Grund der kurzen, steilen Grundsee wurde man im Vorschiff gründlich durchgeschüttelt, so etwa wie man sich in einem Basketball fühlen würde… Um dem Boot ein wenig mehr Widerstand gegen die Wellen zu verleihen setzten wir mit der Morgendämmerung unsere Sturmfock und schalteten den Motor aus, was die Bewegungen sofort leichter zu ertragen machte.

Mit Wind genau von vorn kreuzten wir am Vormittag dann den Alsfjord nach Sønderborg hinauf. Dennis und Jonas riefen regattawürdige Kommandos über’s Deck, und binnen kurzem erreichten wir Sønderborg. Dort machten wir einen kurzen Zwischenstopp um Diesel zu bunkern, denn das Anfahren gegen die Wellen in der Nacht hatte mehr verbraucht als erwartet. Selbst mit voller Kraft schaffte die Hispaniola gerade mal vier Knoten Fahr über Grund, also weniger als die Hälfte des Möglichen. Wenig überraschend wurden die beinden Martins dafür ausgesucht, den Kraftstoff von der Tankstelle zu holen, die etwa einen Kilometer entfernt oben auf dem Berg lag. Nachdem wir endlich die Kreditkarten-SB-Tankstelle überzeugt hatten, ein paar Tropfen Diesel rauszurücken, trugen zwei etwas abgerissene Gestalten in seltsamer Kleidung Benzinkanister durch die Stadt…ein Wunder, dass wir nicht von der Polizei angehalten wurden… ;).

Mit vollen Tanks ging es dann gleich weiter. Inzwischen hatten die ersten Ausläufer des angekündigten Tiefs uns erreicht und der Wellengang war genauso unangenehm wir vorher. Immerhin fuhren wir jetzt unter Motor mit Unterstützung der Sturmfock, so dass es etwas besser voranging. Dennoch blies uns der Wind mit über 20 Knoten, un Böen sogar 25 Knoten, genau von vorne ins Gesicht. Und auch, als wir endlich die Flensburger Förde erreichten, wurde es nicht besser. Nach Aussage meiner Mitsegler hatten sie noch nie einen solchen Wellengang hier erlebt, und bis zum Schluss blies der Wind genau von vorne. Kurz vor Glücksburg erwischte uns dann sogar noch ein leichter Schauer, aber dann erreichten wir gegen 14 Uhr endlich unseren Zielort.

Dann ging es nach einem warmen Getränk im örtlichen Yachtclub daran, das Boot aufzuräumen. Nachdem wir von Pit, dem Eigner der Silva Hispaniola, der in Glücksburg ein Haus hat, begrüßt worden waren, wurden alles von Bord gebracht, was nicht niet- und nagelfest war. Segel, Ausrüstung, natürlich unsere Taschen, usw. Das nahm einige Zeit in Anspruch, und danach nahmen wir alle gerne Pits Angebot an, bei ihm einmal gründlich zu Duschen. Jonas wurde von seiner Freundin abgeholt, der Rest brachte noch -schnell- das Boot an seinen Liegplatz bis zur Felnsburger Woche in drei Wochen. Jeanine und ich konnten leider nicht zum Abendessen bleiben, denn es war schon spät und die Zugverbindung nach Hamburg unter aller Sau.

Während es tagsüber zumindest die eine oder andere Direktverbindung gibt, mussten wir auch noch umsteigen. Flensburg ist sogar so ein Nest, dass es abends am Bahnhof nicht mal was zu Essen gibt. Nur so zur Anmerkung, ich hatte seit unserer Abfahrt IIRC ein paar Nudeln und ein Nutellabrot gegessen… Immerhin gab es an unserem Umsteigebahnhof (den Namen hab‘ ich vergessen, irgendwas mit N glaube ich) noch einen offenen Shop, so dass wir nicht ganz verhungern mussten.

In Hamburg-Dammtor verließ ich dann den Zug und betrat endlich Hamburger Boden. Inzwischen war es kurz vor Mitternacht, und so ging ich noch die letzten paar hundert Meter zu meinem Hotel, ließ mir meine Zimmerschlüssel geben und fiel erst mal ins Bett.

Leave a Reply